Verkehrswende-Meetup/FOSSGIS-2022

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Vortrag

Tagungsband: Mit OSM die Verkehrswende begleiten und beschleunigen – Tagging, Tools und Analysen

Diesen Text haben wir erstellt, bevor wir den Vortrag selbst fertig erstellt haben. Er ist Teil des sog. Tagungsbandes. Die Tagungsbände der letzten Jahre findet man im FOSSGIS-Wiki.


In Städten und Gemeinden wird die Verkehrswende im Stadtbild sichtbar: Neue Radwege, geschützte Kreuzungen und alle drei Monate ein neuer Anbieter für Elektro-Tretroller. Es entsteht neue Infrastruktur für Rad- und Fußverkehr, ÖPNV und neue Mobilitätsformen. Der verfügbare Straßenraum wird neu aufgeteilt.

OpenStreetMap (OSM) kann diesen Transformationsprozess dokumentieren und beschleunigen. Dort, wo wir gemeinsam mit Verantwortlichen (v.a. Verwaltung, Planer*innen), Zivilgesellschaft und der OSM-Community Daten in OSM erfassen und pflegen, entstehen Synergien und neue Möglichkeiten der Prozessbeschleunigung.

Die detailliert erfassten Daten kommen dem breiten OSM-Ökosystem zugute , zum Beispiel Routing-Anbietern, Anbietern von Karten und Themenkarten und allen Werkzeugen, die OSM-Daten für die Analyse und Planung von öffentlicher Infrastruktur verwenden.

Für OSM bedeutet das ein Transformationsprozess , hin zu einer genaueren Erfassung von Infrastruktur für Rad- und Fußverkehr und neue Mobilitätsformen. Dabei müssen wir prüfen, wie wir bestehende Mapping-Praktiken anpassen, welche neuen Tags geeignet sind und an welchen Stellen das Ökosystem an Tools – Editoren, Visualisierungen, QA – erweitert werden muss.

Um die Verkehrswende in OSM zu begleiten und zu gestalten trifft sich seit Mitte 2019 monatlich die OSM Berlin Verkehrswende-Gruppe online (https://wiki.openstreetmap.org/wiki/Berlin/Verkehrswende). Wir diskutieren und entwickeln verkehrsrelevante Taggings, suchen nach Auswertungs- und Erfassungstools und sensibilisieren die Zivilgesellschaft und Verwaltung in Berlin für die wertvollen Daten in OSM.

Unsere Visionen und Ambitionen: Aus Sicht der Verkehrswende gibt es in OSM noch viel zu tun. Nicht nur beim Mapping und Tagging, sondern vor allem auch in der Verbreitung und Sichtbarmachung der Daten. Zwar gibt es zunehmend Projekte (zivilgesellschaftlich, staatlich oder privatwirtschaftlich), die OSM-Daten nutzen oder beitragen, aber das Potential von OSM scheint in der Breite weiterhin unbekannt und/oder nicht ausgeschöpft.

Im Folgenden stellen wir ein paar Themen vor an denen wir in letzter Zeit gearbeitet haben und zeigen aus Sicht von OSM und der Verkehrswende, welche Möglichkeiten und Ambitionen es gibt. Bitte versteht es auch als Einladung mitzumachen!

Daten zu Fahrradständern

Aus OSM-Sicht

Parkplätze für Fahrräder sind ein unkomplizierter Datensatz mit einfachem, gut etablierten Tagging.

Aus Sicht der Verkehrswende

Gute Infrastruktur zum Parken von Fahrrädern ist ein ein wichtiges Puzzlestück der Verkehrswende. Nicht nur für den direkten Zweck des Parkens, sondern auch um Fahrrädern im öffentlichen Raum Sichtbarkeit zu geben. Außerdem kann es gute Synergien mit dem Fußverkehr geben, wenn z.B. Sichtachsen an Kreuzungen mit Fahrradständern gesichert werden.

Status Quo

Unsere Beobachtung ist, dass niemand aktuelle, flächendeckende Daten zu Fahrrad-Parkplätzen hat. Dabei gibt es großen Bedarf im Planungsbereich (Verwaltung) und um multimodale Mobilität zu fördern.

An diesen Versatzstücken haben wir bisher gearbeitet

Ambition & Ausblick

Als OSM-Community können wir Deutschlands vollständigste und aktuellste Datengrundlage und Karte für Radständer und die Planung von Fahrrad-Park-Infrastruktur werden. Verwaltungen können dies unterstützen, indem sie bekannte Bestandsdaten als OpenData veröffentlichen.

Weitere interessante Projekte

Daten zu Kfz-Parkplätzen

Aus OSM-Sicht

Das parking:lane-Schema existiert schon länger, aber ist wenig verbreitet in seiner Nutzung und auch im Support bei Editoren oder in der Verwendung bei Analysen. Bisher fehlten Lösungen, die Genauigkeit der Daten zu erhöhen ohne die Straße unwartbar zu zerstückeln.

Aus Sicht der Verkehrswende

Gute Daten zum Fahrbahnparken sind unerlässlich, da eine Verkehrswende auch mit einer Umverteilung des öffentlichen (Verkehrs-)Raumes verbunden ist und der “ruhende Verkehr” dabei ein enormes Flächenpotential in Relation zu seinem bisherigen Nutzen darstellt (z.B. beim Bau eines Radweges statt eines Parkstreifens).

Status Quo

Unsere Beobachtung ist, dass niemand aktuelle, flächendeckende, einheitliche Daten zu parkenden Autos im Straßenraum hat – auch nicht in den verantwortlichen Ämtern. Auf der anderen Seite besteht großes Interesse an den Daten, insbesondere bei kommunalen und zivilgesellschaftlichen Akteuren in der Stadt- und Verkehrsplanung.

An diesen Versatzstücken haben wir bisher gearbeitet

  • Alex Seidel hat im Berliner Ortsteil Neukölln ein “subtraktives Modell” erprobt, das sehr präzise Parkraumanalysen erlaubt. Dafür wird zuerst konsequent mit dem parking:lane-Schema gemapped. Anschließend werden zusätzliche Daten erfasst, die durch Subtraktion von Bereichen, in denen nicht geparkt werden kann Datenqualität erhöhen (z.B. Kreuzungen, Gehwegübergänge, Einfahrten, Bushaltestellen…; vgl. Vortrag FOSSGIS 2021: “Parkplatzzählung und Parkraumanalysen auf OSM-Basis”).
  • Beispielhaft dafür haben wir eine Parkraumkarte für de Berliner Stadtteil Neukölln entwickelt, die pro Zoomstufe Details zum Parkraum übersichtlich präsentiert (siehe https://supaplexosm.github.io/strassenraumkarte-neukoelln/?map=parkingmap).
  • Mit dem Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg startet ein Modellprojekt um den Parkraum im Bezirk anhand dieses Vorgehens zu erfassen und auszuwerten. Die Daten werden in diesem Rahmen formal geprüft und dann für die interne Verwendung freigegeben.
  • Erfolgreiches Proposal zum besseren Erfassung von separat gemappten Parkbuchten (https://wiki.openstreetmap.org/wiki/Proposed_features/parking%3Dstreet_side).
  • Tools zur Erfassung und Koordination der Erfassungs-”Kampagne” wurden evaluiert. Zum Beispiel der Spezial-Editor von Zlant (https://github.com/zlant/parking-lanes), der Tasking Manager für Straßen-Segmente oder MapRoulette.

Ambition & Ausblick

Für Berlin möchten wir einen offenen, einheitlichen und aktuellen Datensatz für Parken im Straßenraum bereitstellen. Dabei werden wir Methoden erproben, die auf andere Städte adaptiert werden können. Hervorzuheben ist das Vorgehen im Modellprojekt, bei dem die Verwaltung zu Stichtagen die OSM-Daten übernimmt, prüft und für die interne Verwendung freigibt.

Daten zu Radwegen

Aus OSM-Sicht

Radwege sind ein fester Bestandteil von OSM. Der Detailgrad, mit dem sie erfasst sind, ist aber fast überall gering – vor allem im Vergleich zu Daten, die wir für Kfz-Infrastruktur erheben. Die Qualität von Radwegen lässt sich zur Zeit meist nicht sinnvoll bewerten.

Wir haben Nachholbedarf, aussagekräftige Radwege-Daten zu erfassen:

  • Es gilt Tags, die Radwege grundlegend beschreiben (insbesondere ihre Breite, width) oder für andere Wege und insbesondere den Autoverkehr etabliert sind, konsequenter für den Radverkehr anzuwenden (z.B. surface, smoothness, lit).
  • Es ist nach unserer Meinung sinnvoll, straßenbegleitende Wege mit genaueren Geometrien zu erfassen, die Routing präzisieren (z.B. über komplexe Kreuzungssituationen) und detaillierte Auswertungen der Radwegführung erlauben (z.B. Umfeldanalysen, Gefahrensituationen).
  • Es gilt Attribute, die die Sicherheit eines Radweges an Wegen und Kreuzungen beschreiben zu diskutieren, auszuprobieren und ggf. zu etablieren.

Aus Sicht der Verkehrswende

Detaillierte, aktuelle Daten zu Radwegen sind für die Verkehrswende unerlässlich. Sie können die Basis für die Erstellung von Radnetzen sein und bei der Priorisierung von Maßnahmen helfen.

Status Quo

Unsere Beobachtung ist, dass niemand flächendeckende, aktuelle, einheitliche und detaillierte Daten zu Radinfrastruktur hat. Das hindert und verlangsamt Netz-Planungen und darauf folgende Maßnahmen. Zivilgesellschaftliches “Storytelling” und Datenanalysen sind nicht in der Fläche möglich.

An diesen Versatzstücken haben wir bisher gearbeitet

Ambition

Die Datenerhebung und -aktualisierung detaillierter Rad-Infrastruktur-Daten für jeden einzelnen Akteur ist zu aufwändig. OSM kann der kollaborative Datensatz sein, zu dem alle Akteure – auch ohne sich zu kennen – beitragen.

Das Thema Radverkehr bewegt insbesondere in Großstädten zur Zeit sehr viele Menschen. Vielerorts gibt es eine rege zivilgesellschaftliche und oft datenaffine “Fahrrad-Community”, die aber nur selten mit OSM verbunden ist. Lasst uns gemeinsam zeigen, welchen Nutzen OSM in diesem Zusammenhang bringen kann und die Daten dafür erheben.

Weitere interessante Projekte

Daten zu Gehwegen

Aus OSM-Sicht

Zunehmend setzt sich eine separate Kartierweise von Gehwegen durch, wenn es darum geht, bessere Wege-Geometrien und -Eigenschaften zu erfassen. Damit werden fortgeschrittene, insbesondere barrierefreie Navigation, aber auch breitere Geodaten-Analysemöglichkeiten machbar. Wenn überhaupt, beschränken sich diese Daten in OSM zur Zeit jedoch meist noch auf separate, oft schwer analysierbare Geometrien und es fehlt an Details zur Wegequalität und Barrierefreiheit.

Aus Sicht der Verkehrswende

Detaillierte zu Fuß- und Gehwegen sind wertvoll, um die Qualität und Nutzbarkeit von Wegenetzen und Kreuzungen für den Fußverkehr bewerten zu können. Es erlaubt, Orte zu identifizieren, an denen verbessernde Maßnahmen notwendig sind.

Status Quo

Unsere Beobachtung ist, dass das Potential beim Thema Gehwege und Fußverkehr in OSM noch längst nicht ausgeschöpft ist. Der Bedarf insbesondere nach barrierefreier Navigation ist groß, die Tagging-Schemata zu ihrer Erfassung in OSM sind gut aufgestellt und bereits jetzt gibt es vielfältigen Support durch Anwendungen wie StreetComplete oder Rollstuhlkarten.

An diesen Versatzstücken haben wir bisher gearbeitet

  • Umfangreiche Tagging-Empfehlungen zur detaillierten Erfassung von Gehwegen insbesondere in Berlin: https://wiki.openstreetmap.org/wiki/Berlin/Verkehrswende/Gehwege.
  • Start der Entwicklung von erweiterten Tagging-Schema für Querungsstellen z.B. zum Erfassen von Gehwegvorstreckungen und randseitigen Markierungen.
  • Fortführen der Entwicklung des Tagging-Schema “is_sidepath” zum Erfassen von straßenbegleitenden Wegen, auch als Datengrundlage für Optimierung von Rad- und Fußverkehrsrouting (Beispiel: “Jetzt rechts auf den Radweg der Sonnenallee abbiegen” bzw. “Jetzt rechts auf dem Gehweg der Sonnenalle weitergehen.”)
  • Erfassung detaillierter Gehweg-Daten in der “Modellregion” Neukölln.

Ambition

Als OSM-Community können wir auch dieses Ideal von möglichst vollständigen und barrierefreien Fußverkehrsdaten verwirklichen.

Das Gehwege-Mapping ist in OSM vielerorts mangelhaft, auch aus Auswerter- bzw. Routing-Perspektive. Wenn wir es schaffen, den Fokus vom “Malen von Gehwegen für den Renderer” hin zu “Konstruktion routingfähiger Fußverkehrsnetze mit Wegequalitäts- und Barrierefreiheitsdaten” zu verschieben, könnte sich das schnell ändern.

Für gehweg-affine Mapper und Communities könnten außerdem lokale Kooperationen mit Barrierefreiheits-Initiativen interessant sein, um Daten zu erheben und zielgerichtet auszuwerten und zu nutzen.

Ausblick: Verkehrswende beschleunigen

Wir hoffen, unser Vortrag und dieser Text motivieren euch mitzumachen. Die Verkehrswende braucht Datengrundlagen und Beschleunigung – und OSM kann und wird dabei mit vielen wichtigen Datensätzen helfen.

  • Wir brauchen Verwaltungen und zivilgesellschaftliche Akteure, die diese Potentiale für sich nutzen, die unsere gemeinsamen OSM-Daten verwenden und mithelfen, die Daten zu verbessern. Warum? Weil es Diskussionen und Entscheidungen transparenter und demokratischer macht, Geschwindigkeit bringt, effizient ist und ganz nebenbei all den Projekten und Unternehm(ung)en hilft, die auch mit OSM arbeiten.
  • Wir brauchen professionelle Unterstützer wie NGO’s oder Unternehmen, die mit Finanzierung, Tooling und Community helfen, unsere OSM-Daten anzureichern und aktuell zu halten. Warum? Weil sich diese ambitionierte Aufgabe so realistischer erfüllen lässt und es auch in ihrem Selbstinteresse liegt, eine hochwertige Datenbasis für ihre Arbeit nutzen zu können.
  • Wir brauchen ehrenamtliche und professionelle Akteure, die unsere OSM-Daten interpretieren, visualisieren, auswerten und auf andere Weise nutzen. Warum? Weil Daten kein Selbstzweck sind, sondern ein nachhaltiger Mehrwert erst dann entsteht, wenn sie sinnvoll verwendet und kommuniziert werden.

Vielen Dank!

Kontakt zu den Autoren

Alex Seidel

OSM-Community Berlin (Neukölln)

openstreetmap.org/user/Supaplex030

supaplex@riseup.net

Tobias Jordans

OSM-Community Berlin (Neukölln)

openstreetmap.org/user/tordans

t@tobiasjordans.de